Wachsende Mentholerträge ohne Ernteausfälle
Für die Prozessautomatisierungsexperten von Tesium bestand die maßgebliche Herausforderung in einem Projekt darin, die neue Anlage innerhalb eines gewachsenen laufenden Betriebes zu errichten.
Mit einem Investitionsvolumen von 16 Millionen Euro hat die Symrise AG 2012 die Produktionskapazitäten naturidentischen l-Menthols am Stammsitz im südniedersächsischen Holzminden verdoppelt. Für die Prozessautomatisierungsexperten von Tesium bestand die maßgebliche Herausforderung dieses Projektes darin, die neue Anlage innerhalb eines gewachsenen laufenden Betriebes zu errichten. Bei der Projektierung der gesamten Mess-, Regel-, Steuerungs- und Automatisierungstechnik arbeitet Tesium mit EPLAN PPE. Eine neue Kristallisation zur Festigung der eigenen weltweiten Marktführerschaft: Seit Sommer 2012 produziert die von Tesium geplante und realisierte Anlage naturidentisches l-Menthol – und dieses innerhalb eines Chemiestandortes mit Innenstadtlage. Hier wurde 1973 zum ersten Mal auf der Welt naturidentisches Menthol vollsynthetisch hergestellt. Die Erfolgsgeschichte des weltweit begehrten Aroma- und Kühlwirkstoffes ist ähnlich lang, wie die, das Engineering für die Prozesstechnik im eigenen Haus auszubauen. „Als selbstständige Tochtergesellschaft eines forschenden Unternehmens, das Aromachemikalien, kosmetische Wirkstoffe, Duft- und Geschmackstoffe herstellt, sind wir es gewohnt, unser Engineering für Prozessanlagen zuverlässig und schnell in Produktionsanlagen umzusetzen“, sagt Kai Wedding, Marketingleiter bei Tesium. Schnell und zuverlässig zu arbeiten heißt beim Engineering vor allem, durchgängige Prozesse zu etablieren. Plant Symrise den Neu- oder Umbau prozesstechnischer Anlagen, sitzen im Projektteam Vertreter von vier Kernbereichen. Aus Sicht von Tesium sind dieses die produktionstechnische Betriebsleitung als direkter Kunde, dann ein Verfahrensingenieur, der die Prozesse, chemischen Reaktionen und Mengenbilanzen kennt. Der dritte Vertreter rekrutiert sich aus dem Anlagenbau und ein vierter aus der EMSR-Planung. Gemeinsame Planungsgrundlage Die Zusammensetzung eines solchen Teams macht deutlich, warum es bei Projekten innerhalb des Symrise-Konzerns so wichtig ist, auf einer gemeinsamen Planung, Datenbasis und Nomenklatur aufzusetzen. EPLAN PPE übernimmt dabei eine Kernfunktion. Als oberste Ebene nutzt Tesium die Rohrleitungs- und Instrumentierungsschemen (P&ID für "piping and instrumentation diagram") für die grafische Abbildung der chemischen Verfahren und Transportwege der unterschiedlichen Stoffmedien. Symboldatenbanken erleichtern an dieser Stelle die Arbeit, die Ausleitung der Projektversionen in einer Datenbank ermöglicht den Zugriff aller Projekteure auf den jeweils aktuellen Stand, ohne dass alte Release-Stände Inkonsistenzen im Projekt verursachen. „Vom übergeordneten Verfahrensfließbild kommend, arbeiten wir uns dann tiefer in die Anlage hinein“, erklärt Armin Thies, Leiter der EMSR-Planung bei Tesium. Sämtliche für den Betrieb der Mentholanlage erforderlichen Bauteile wie Reaktionsbehälter, Pumpen, Rohrleitungen, Messgeräte, Rührwerke oder Armaturen, die im Fließschema verankert und über normierte Symbole dargestellt sind, erhalten weitere technische Detailangaben. Bei den Rohrleitungen sind dieses klassischer Weise Nennweite und -druck, die zu transportierenden Medien sowie die Werkstoffe der eingebauten Rohre. Auf eine ähnliche Weise werden die Kernelemente der Mess- und Regeltechnik innerhalb des Verfahrensfließbildes projektiert. Diese Arbeit mündet schließlich in den so genannten Messstellenlisten und -blättern. Diese spiegeln in den Anlagen von Symrise für jeden Einzelprozess die komplette EMSR-Ausrüstung wieder. „Dazu zählen etwa die physikalische Messart, der Messbereich, das Messprinzip, Materialanforderungen, Art der Sensoren und Anschlussspezifikationen“, erklärt Ludwig Schaefers, Projektmanager EMSR-Planung bei Tesium. Ausrüstung eindeutig definiert Die Messstellenblätter definieren damit eindeutig die aktuelle technische Ausrüstung mit sämtlichen Maßen, Identifikationsnummern, Herstellerkomponenten und der generellen Funktion und Aufgabenstellung. Für Armin Thies hat diese Form der Dokumentation den Vorteil, dass direkt aus der Planung heraus schnell und zuverlässig bestellt werden kann. Die jeweiligen Funktionsbereiche werden dabei in der Regel auftragsbezogen geordert und kommissioniert. Eine direkte Anbindung an das konzernweite ERP-System liegt aktuell nicht vor, weil die von Tesium realisierten Anlagen nur selten Standard sind. „Der Aufwand für die notwendige Datenbank und die Schnittstelle waren uns bisher zu hoch, zumal sich die Produktivität aufgrund der vielen Unikate nicht wesentlich verbessern würde“, erläutert Armin Thies. Umso mehr wird im eigentlichen Engineering Wert gelegt auf durchgängige Prozesse. Kommt es während eines Projektes etwa zu Veränderungen im Detail-Engineering, erfasst EPLAN PPE zum Beispiel automatisch die Revisionsstände, während die einzelnen Listen in Form unveränderbarer PDF-Dateien von den Fachabteilungen auf ihre farblich gekennzeichneten Änderungen hin überprüft werden. Auslöser für solche Anpassungen können zum Beispiel abweichende Leitungsquerschnitte oder Typwechsel bei Sensoren sein. „Die farbliche Kennzeichnung ist insofern wichtig, damit Optimierungen an einer Stelle später nicht zu Problemen beim Einbau an anderer Stelle führen – zum Beispiel, wenn aufgrund geänderter Rohrquerschnitte das Flanschmaß eines ursprünglich definierten Ventils nicht mehr passt, weil es auf Grundlage eines alten Projektstatus bestellt wurde“, sagt Armin Thies. Das zentrale Projektgremium hat an dieser Stelle die Aufgabe, den jeweils aktuellen Projektstatus festzulegen. „Weil auf dieser Basis bestellt wird, gibt es beim Einbau später keine Überraschungen“, unterstreicht Thies. EPLAN PPE stellt bei Tesium nur einen Baustein im Engineering dar. Da die Prozess- und Regeltechnik nie losgelöst von der Elektrotechnik zu betrachten ist, herrscht innerhalb der EPLAN Plattform eine direkte Verbindung zu EPLAN Electric P8. Diese durchgängige Arbeitsweise pflegt Tesium auch bei Aufträgen außerhalb des Symrise-Konzerns – zum Beispiel bei der Projektierung einer Ölmühle und Aufträgen aus der Glasindustrie. Der barrierefreie Datenfluss beschleunigt in Summe das Engineering und unterstützt auch spätere Wartungs- und Servicearbeiten unter anderem mit einer lückenlosen Dokumentation. „Unsere Mitarbeiter im Betrieb wissen, was sie bei Reparaturen erwartet und kennen die zugehörigen Stromlaufpläne“, sagt Thies. Für Kai Wedding stellt diese vorausschauend geplante Arbeitsweise einen wesentlichen Faktor für hohe Betriebssicherheit und damit Verfügbarkeit der Produktion dar – gerade für die neue Mentholanlage, da darin die linksdrehenden Mentholmoleküle in einem aufwändigen Verfahren kontinuierlich aus der Kristallisation abgeschieden werden. Insofern lässt sich die Anlage nicht einfach so abschalten.
Vielseitiger Wirkstoff
Menthol ist sprichwörtlich in aller Munde – ob als aromatischer Bestandteil von Kaugummi, als Schlüsselaroma für die erfrischende Pfefferminznote der Zahnpasta oder als atembefreiender Lutschbonbon. Letztlich sorgt auch die scheinbar kühlende Wirkung auf der Haut dafür, dass der weltweite Bedarf an Menthol kontinuierlich wächst – vor allem in den Schwellenländern. „Ihre Wirtschaftskraft wird in Zukunft die globalen Märkte maßgeblich beeinflussen“, zeigt sich Dr. Heinz-Jürgen Bertram, Vorstandsvorsitzender der Symrise AG bei der Inbetriebnahme der Anlage überzeugt. „Wir produzieren seit über 40 Jahren synthetisches Menthol und haben uns seitdem als Marktführer etabliert. Mit der neuen Anlage erweitern wir unsere Produktbasis und können unseren Kunden gleichbleibend hohe Qualität liefern – unabhängig von Ernte- und Preisschwankungen“, macht Dr. Norbert Richter als Leiter der weltweiten Business-Unit deutlich.

Aus dem Engineering heraus schnell in die Produktion: Dieses Ziel begleitet Armin Thies, Ludwig Schaefers und Kai Wedding (von links) von Tesium täglich. Quelle: T. Sienk

Die Visualisierung der Prozesse in der Leitwarte von Anlage nutzt EPLAN PPE als Datengrundlage. Quelle: Tesium

Zur Dokumentation der PLT-Stellen als Kernelemente der Mess- und Regeltechnik werden bei Tesium individuelle Vorlagen für Messstellenblätter definiert. Quelle: Tesium